Haushaltsrede 2020

„Fairness, Mitgefühl, Teilhabe“ fordert Manfred Neumeister in seiner Haushaltsrede 2020 ein

BAYREUTH: Trotz schwerer Bedenken stimmte unsere Bezirkstagsfraktion dem vorgelegten Bezirkshaushalt 2020 zu:

  • Gesamtumfang  442.363.800 € Euro.
  • Die Umlage bleibt in 2020 bei 17,5%.
  • Eine notwendige Erhöhung der Umlage in 2021 ist bereits schon jetzt abzusehen.

 

Haushaltsrede 2020: 92% Sozialaufwendungen Bezirkshaushalt Oberfranken 2020

Äußerst kritisch sieht die Bezirkstagsfraktion, dass bei den oberfränkischen Gemeinden und Landkreisen in 2020 mehr als 44 Mio. € aus den sogenannten „Bundesmilliarden“ verbleiben, die als Sofortentlastung im Bereich der Eingliederungshilfe gedacht waren und auf Oberfranken entfallen.

 

 

 

Die Kernpunkte der Haushaltsrede 2020:

Rede unseres Fraktionsvorsitzenden zum Bezirkshaushalt 2020

Wir als Bezirkstag werden als Sozialparlament Bayerns von unseren Mitbürgern*innen gesehen. Umso mehr sollte unser Gremium den Schwerpunkt in der Haushaltsdebatte auf das Soziale setzen. Sozial zu sein heißt: Fairness im Umgang miteinander, ob in der Umlage des Bezirks zu seinen Kreisen und Kommunen; Mitgefühl für die Mitmenschen zu haben, die nicht immer im Mittelpunkt des Lebens stehen; Offenheit gegenüber Menschen, die diese Werte mit uns teilen. Teilhabe für alle Mitmenschen in unserer Gesellschaft und gerade jene Teilhabe mit denen unser Bundesgesetz die finanziellen Mittel nach UNTEN weitergegeben hat.

Gelder der Eingliederungshilfe kommen oftmals nicht beim Bezirk an

Gelder der Eingliederungshilfe kommen oftmals nicht beim Bezirk an. Unsere Expertin und stellvertretende Bezirkstags-Vizepräsidentin Dagmar Keis-Lechner verweist auf 52 Millionen Euro in 2018, auf 40 Millionen Euro in 2019 und jetzt in 2020 erneut auf 44 Millionen, die aus dem Bundesteilhabegesetz ausgewiesen wurden und trotz Aufgabenstellung des Bezirks bei den Kommunen verbleiben. Bedenkt man, dass ein Prozentpunkt der Bezirksumlage in etwa 13 Millionen Euro entspricht, so hätte die Bezirksumlage schon seit 2018 mindesten drei Prozentpunkte höher liegen müssen.

Stabilität der Umlage auf Kosten der Eingliederungshilfe?

Grafik mit der Entwicklung der Hebesätze in den Bezirken Bayerns.

Uns stell sich die Frage: Was passiert mit diesen Millionen, die wir so über die Umlage nicht für die Eingliederungshilfe hernehmen?

Wie es den Anschein hat, werden damit Löcher in den Kommunen gestopft und (oder) gerade einmal so viel geringer Spielraum belassen, dass sich die Kommunen gerade noch über Wasser halten können.

Wir haben zum ersten Mal durch die neue Rechtslage die finanzielle Situation der Kommunen vor Augen. Es ist in jedem Fall keine beruhigende Situation.

Erkennbar an den Zahlen müssen die Bundesmilliarden in den nächsten Jahren, ob direkt oder über Umlage, zu ihrer eigentlichen Bestimmungen hergenommen werden.

Alles andere wäre Fatal. Wer glaubt sich auf einer Insel der Glückseligkeit abschotten zu müssen, meint, dass die  Welt ein riesiges Nullsummenspiel ist, bei dem zwangsläufig jemand verlieren muss, wenn jemand anders gewinnt.

 

 

Menschenwürdige Pflege ist jeden Cent wert

Unsere Botschaft aus der letzten Haushaltsrede 2019 hat heute noch mehr Bestand. „Menschenwürdige Pflege ist jeden Cent wert“ und wie sieht die Lage  im Bezirk Oberfranken bezüglich ihres Auftrages tatsächlich aus? Viele Einrichtungen der Sozialhilfe sind in ihrer Leistungsfähigkeit bedroht, was unmittelbar Auswirkungen auf die Leistungsberechtigten hat.

Bezirk bleibt bei assesstierte Teilhabe hinter den Anforderungen zurück

Die inhaltlichen Neuerungen, die das Teilhabegesetz vorsieht – also mehr (assistierte) Teilhabe am Leben und mehr Wahlfreiheit für die Betroffen können nicht vollumfänglich umgesetzt werden. Es stellt sich die Frage: Wie sollen wir es machen?

Man stelle fest, dass uns das Personal fehlt und wir das Bundes-Teilhabe-Gesetz schlichtweg nicht vollumfänglich umsetzen können.  Ein Drama, ein Teufelskreis. Die Menschen verlieren den Glauben an den Fortschritt und an den Sinn ihres Tuns und Würde.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. In allen Belangen haben wir mit der Bürokratie und den Auflagen zu kämpfen. Lösungen sind bei noch so großem Weitblick nicht in Sicht.

Vermögensfreibeträgen von 100.000 Euro werden die Zahlen der Hilfe zur Pflege in Zukunft steigen. Eine Auswirkung, die heute noch nicht genau beziffert werden kann. Ein Dilemma, der die Wahlmöglichkeit zum Verhungern bringen soll.

Keine Erhöhung der Umlage – auf Kosten der Rücklagen

Wir werden nun einen Haushalt 2020 verabschieden mit Mehraufwendungen und Abschmelzen der Rücklagen. So auch auf eine Erhöhung der Umlage verzichten. Eine Rücklage kann man bedingt aber nur einmal zum Ausgleich heranziehen.
Wir stehen jedoch vor großen und längerfristigen Herausforderungen. Eine Gefahr und Alarmsignal zugleich!
Hebesatzentwicklung im Bezirk Oberfranken von 2005 - 2020

 

Nicht nur in Beton investieren

In den nächsten Jahren werden wir 540 Millionen Euro investieren. Hoffentlich nicht nur in Beton, sondern insbesondere für die Teilhabe der Menschen und das Fachpersonal. Dafür erwarten wir 300 Millionen vom Freistaat. Es war und ist wichtig, dass wir die Aufgaben zwar in 2019 erfüllt haben und so dem Haushalt zustimmen werden. Das Damoklesschwert schwebt jedoch weiter hin über uns.

Nicht unerwähnt bleiben sollen auch positive Entscheidungen in 2019: So wurden zum Beispiel für Menschen in Krisensituationen – wo Prävention, Sozialraumorientierung und vor allem niederschwellige ambulante Hilfen Eckpfeiler effektiver und moderner Sozialpolitik darstellen – verbessert.

Freiwillige Leistungen

  • Ein weiterer wesentlicher Baustein, auch und gerade in der Demokratiebildung von jungen Menschen, stellt der Bezirksjugendring mit seinen zahlreichen Aktivitäten dar und ist deshalb zu unterstützen.
  • Eine Strategie für eine ökologische, regionale, faire und auch kostensparende Landwirtschaft mit einer offenen Bürgerbeteiligung zur Weiterentwicklung ist ebenso begrüßenswert.
  • Wir fordern nicht nur bei allen aktuellen Bauprojekten einen Klimacheck. Vielmehr gehört der Klimacheck bereits in die Bauleitplanung.
  • Kunst und Kultur als Lebensnerv hat eine herausragende Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung und eine zunehmende Bedeutung, um Integration und die positiven Elemente kultureller Vielfalt herauszustellen. Im Begriff  „Wandel durch Kultur“ werden diese Prozesse oftmals zusammengeführt.

Lassen sie uns an diesem Punkten der freiwilligen Leistungen nicht über jeden Euro feilschen. Der Anteil gemessen an unserem Haushalt ist überschaubar. Ohne Freiwilligkeit kein Ehrenamt. Ohne Ehrenamt ist kein Staat zu machen und das Ehrenamt ist in Oberfranken ein Teil der Daseinsvorsorge.

Resümee

Wir werden dem Haushalt nach vielen vorgebrachten Bedenken zustimmen. Aber wir kündigen heute schon an, dass wir es nicht zulassen werden, dass aus wahltaktischen Gründen die Umlage 2020 nicht realistisch eingepreist wurde – zu Lasten der Menschen mit Behinderung, der älteren Menschen und zu Lasten einer lebendigen Heimatpflege.

Eine soziale Gesellschaft fragt nicht, wo jemand herkommt. Eine soziale Gesellschaft fragt, wo jemand steht und hin will.

Lieber Herr Bezirkstagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen ich danke für ihre Aufmerksamkeit. Mein Dank gilt ebenso der Regierungspräsidentin, den Damen und Herren der Verwaltung und den Mitarbeitern des Bezirks für ihre Arbeit im abgelaufenen Jahr.

Manfred Neumeister,
Fraktionsvorsitzender GRÜNE im Bezirkstag Oberfranken

Das gesprochene Wort

Inhaltlich mitgestaltet:

Dagmar Keis-Leichner,

Stellvertretende Bezirkstags-Vizepräsidentin

Matthias Söllner,

Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

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